Ein vermutetes L-Boot, die L-168, hat es nach Ungarn auf den Balaton verschlagen. Das ungarische Segelmagazin stellte die Bootsklasse und die "Lady" vor. Auffällig sind das hohe Gewicht, der zu große Tiefgang und das weit vorne angeschlagene Vorstag - wahrscheinlich Modifikationen im Laufe der Zeit. Doch auch wenn die "Lady" nicht (mehr) den Klassenvorschriften entspricht - und die Bemerkungen über den Zustand der L-Boot-Flotte bei der Jubiläumsregatta so manchen Eigner zum Widerspruch veranlassen - möchten wir Ihnen den Artikel aus dem Jahre 2004 nicht vorenthalten und veröffentlichen ihn vollständig.
L-Boote, 30-er Binnenkieler.
Diese Klasse hat in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag gefeiert. Ihr Schwesterschiff, die 22-er Binnenjolle war ein populäres Klassenschiff in Ungarn. Das L-Boot hat keine solche Karriere gehabt, obwohl die zeitgenössischen deutschen Segler es sehr gut aufgenommen haben. In den ersten fünfzehn Jahren, bis 1929, wurden einhundertvierundsiebzig Schiffe gebaut; insgesamt wurden es zweihundertvier. Das L-Boot 168 ist nach Ungarn gelangt, Herr Csaba Pálinkás, der bekannte Schiffsbauer, hat es für sich renoviert. Heute ist es der schönste 30-er Binnenkieler.
Die Vorgaben fürs Schiff wurden aufgrund der Konzeption der am Ende des 19. Jahrhunderts entworfenen Sonderklasse zusammengestellt. Das Ziel dabei war es, schnelle 3-Personen-Kreuzer zu fertigen, die auf den kleinen Seen in Bayern sowie um Berlin gut einzusetzen sind. Leider habe ich die ursprüngliche Beschreibung der Schiffsklasse nicht gefunden, aber das Vermessungsbuch von 1922 des Schiffes namens "Bodman", gebaut 1914, Segelnummer 14, liegt doch vor. Vom Typ her ist es eine Sloop und wurde damals unter der Bezeichnung 30qm-Rennklasse registriert. Die Länge des Schiffes ( 8,09m) und der Wasserlinie (5,10m), die Breite (1,80m) und die Wasserlinienbreite (1,63m) bzw. die Tauchtiefe (1,10m) wurden bemessen, sowie die lichte (freie) Seitenhöhe, die 0,93m betrug. Das Gewicht des Schiffes wurde nicht aufgezeichnet. Es wurde lediglich registriert, daß es schwerer als der vorgegebene Wert von 1.000 kg sei. Das Gaffel-Grosssegel wurde auf einem extrem langen Baum montiert, die Fläche betrug 22,69 qm, die des Vorsegels 7,04 qm. Das Gesamtsegelwerk betrug insg. 29,73 qm, hat also dern Vorgaben entsprochen. Diese Vermessung wurde von Herrn J. Newe in Berlin beglaubigt.
Das Rennschiff in seinem ursprünglichem Zustand wurde natürlich ohne Kajüte gebaut. Auch heutzutage segeln viele Schiffe so. Unter den bis 1961 gefertigten zweihundertvier Einheiten sind um die dreissig immer noch aktiv. Ihre Länge variiert zwischen acht und neun Meter. Es ist wahrscheinlich nie gelungen, das ursprünglich erlaubte Gewicht von 1.000 kg zu erreichen. Die Masse der in den ersten Jahren gebauten Schiffe bewegt sich auch um die 1100 kg. 1921 fand eine Revolution in der Planung der Klasse statt, die vom Schiffskonstrukteuer Rasmussen in die Wege geleitet wurde. Er dachte sich dabei, es wäre möglich, besser einsetzbare und schnellere Schiffe zu bauen, falls er die maximalen Masse des Schiffskörpers ausnutzt und die Wasserlinie vergrößert. Danach hat sich auch die Masse erhöht - auf 1450 kg oder darüber. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Leistung der Schiffe der Klasse markant getrennt, abhängig von den verschiedenen Windverhältnissen. Diese neuen, grösseren Modelle konnten beim schwachen Wind die früheren Variatianten nicht schlagen, dagegen hatten diese ab mittleren Windstärken keine Chance. In dieser aufregenden Klasse gab es kaum zwei identischen Schiffe und die größten deutschen Schiffskonstruktuere der Zeit haben ihr Können miteinander gemessen.
Die anfängliche Gaffel-Version wurde bald vom heute bekannten Marconi-Rigg ersetzt. Man hat im unterschiedlichen Ausmass mit gebogenen Holzmasten experimentiert und erstaunliche Ergebnisse erreicht. Das niedrige Freibord hatte natürliche auch Gefahr mit sich gebracht. Es passierte, und zwar nicht sehr selten, daß ein 30-er Binnenkieler gesunken war. Um diesem vorzubeugen hat man auf den Schiffen, die an keinen Rennen mehr teilgenommen hatten, Kajüten gebaut.
Die „Lady“ ist vor drei oder vier Jahren ins Land gelangt. Ihr Besitzer, ein Schiffshändler konnte sie nicht verkaufen. Sie befand sich in einem sehr schlechten Zustand; kein Wunder, daß er keinen Käufer finden konnte. Schliesslich hat sich Herr Csaba Pálinkás entschieden, sie zu kaufen und aus ihr ein schönes Schiff zu bauen. Hr. Pálinkás hat noch anfang der 90-er Jahren damit angefangen, alte Holzschiffe zu renovieren. Seine erste Arbeit war der 30-er Kreuzer "Emese" (ungarischer Mädchenname, Anm. d. Übersetzers) gewesen. Das wichtigste der von ihm verwendeten Arbeitsweise ist die höchstmögliche Beibehaltung des Originalen. So kann sich ein jeder, der sein geliebtes altes Schiff bei ihm erneuern lässt, sicher sein, daß er das gleiche zurückerhält, das er abgegeben hat. Diesem Schiff wurde der Kiel ersetzt, aber die originalen Spanten und Planken sind geblieben. Dies stellt sich heraus, wenn man in den Kielraum guckt. Das schön behandelte Altholz präsentiert sich unter den neugefertigten Bodenbrettern. Das Segelschiff erhält nach der Renovierung eine 3mm dicke, diagonal aufgeklebte Furnierholzbekleidung aus Mahagoni in mehreren Schichten. Die letzte Schicht oberhalb der Wasserlinie wird waagerecht aufgesetzt, da dies so schöner ist, und sie erhält unterhalb der Wasserlinie eine Beschichtung aus Expoxyglas. Das auf diese Weise erneuerte Schiff wird nicht schwerer als vorher sein, da es kein Wasser ansaugt.
Der gekümmte Mast ist der Schrecken der Segelschneider, und es gibt auch an diesem Mast noch genügend zu reparieren, aber das Ziel ist schon nah. Csaba hat von dem Schiff mit so einer Begeisterung gesprochen, daß ich die Abfahrt kaum abwarten konnte. Die „Lady“ hat sich als richtiges Rennschiff erwiesen. Wir mussten in dem engen Videoton-Hafen kreuzen, aber es hat uns keine Problemen verursacht. Die kleine 30-er konnte man fast im Stand wenden, sie verliert trotzdem nicht an Geschwindigkeit. Bei Windgeschwindigkeit 2 haben wir binnen Sekunden eine Geschwindigkeit von sechs, sechs-einhalb Knoten. Mit dieser Leistung kann man sich auch vor den heutigen Schiffen mit 8-9m Länge blicken lassen. Was ein wenig ungewöhnlich war, daß die Richtung wegen des kurzen Kiels schwierig zu halten war. Ich habe damit vor allem beim Halbwind Probleme gehabt. Die relativ großen und langen Wellen aus südwestlicherRichtung haben den Bug gedreht. Man muss lernen, Fühlung zu gewinnen. Es hat mir sehr gefallen. Es ist erstaunlich, wie dieses seltsame, weiche Gestänge die Kräfte, die sich in das riesige Segel stemmen, schluckt. Ich habe ein Bild gesehen, an dem auf diesen Mast ein Spinaker so gezogen wurde, daß er zwischen dem Vorstag und dem Mast angebracht wurde. Nett, nicht wahr?
Die Flotte ist einem miserablen Zustand. Am 25. September wurde auf dem Bodensee der neunzigste Jahrestag gefeiert. Die meisten der dort anwesenden Schiffe würden eine ernsthafte Erneuerung benötigen. Einige befinden sich natürlich in einem sehr schönen Zustand. Das Schiff lässt sich leicht transportieren, ein PKW mittlerer Kategorie kann es schleppen.
Es ist zu erwarten, daß die Pálinkás-Werkstatt noch auf L-Boote trifft, die Renovierung benötigen.
Autor: F. Litkey für das Hajó-Magazin, Budapest.
Übersetzung: Karoly Majoros
Bilder: László Szekeres, Hajó-Magazin, Budapest.